Musik in Osteuropa während der Zeit des Kalten Krieges
Das Programm verbindet Klavierpräludien von drei herausragenden, in der heutigen Ukraine gebürtigen Komponisten, die dem westlichen Publikum bislang unbekannt blieben.
Zwei der Komponisten des heutigen Programms waren jüdischer Abstammung und wurden Opfer einer antisemitischen Kampagne in den letzten Jahren der Stalin-Zeit: Der Komponist, Pianist und Professor am Kiewer Konservatorium Matvey Gozenpud wurde 1948 fristlos entlassen und ging nach Kasachstan, um einer drohenden Festnahme zu entfliehen. Einige seiner Werke sind dadurch verschollen. Yevgenia Yakhnina, die aus Charkow stammte und als Kompositionsdozentin an einer Moskauer Fachmusikschule arbeitete, verlor 1948 ebenso ihre Stelle und wurde dann fünf Jahre lang aus dem Musikleben ausgeschlossen. Der bedeutende ukrainische Komponist, Pianist und Pädagoge Nikolai Silvansky, ebenfalls aus Charkow, wirkte nach seinem Studium in Leningrad und Moskau zunächst in seiner Heimatstadt und später als Professor am Kiewer Konservatorium.
Jascha Nemtsov spielte diese berührende, innige und zum Teil beklemmende Musik auf CD ein, die unter dem Titel „Ukrainian Préludes“ im November 2024 erschienen ist.
Jascha Nemtsov ist Pianist und Musikwissenschaftler, Professor für Geschichte der jüdischen Musik an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und Akademischer Leiter der Kantorenausbildung an der Universität Potsdam. Er studierte am St. Petersburger Staatlichen Konservatorium und lebt seit 1992 in Deutschland. Seine Forschungsprojekte sind jüdischer Musik und jüdischen Komponisten im 19. und 20. Jahrhundert gewidmet. 2024 erschienen im Harrassowitz Verlag Wiesbaden seine Monographie „From St. Petersburg to Vienna: The New Jewish School in Music (1908–1938) as Part of the Jewish Cultural Renaissance“ und im NomosVerlag sein Lehrbuch „Jüdische Musik: Einführung“, die erste Publikation dieser Art weltweit. Als Pianist konzertiert Nemtsov international, er nahm bislang mehr als 40 CDs auf, darunter zahlreiche Ersteinspielungen von Werken wiederentdeckter verfolgter Komponisten. 2007 bekam er den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und 2018 den Preis OPUS KLASSIK. Seine jüngste Einspielung „Ukrainian Préludes“ wurde für die International Classical Music Awards 2025 9nominiert.