»NEUES BEI GRIEG!« – GESPRÄCH UND KONZERT MIT JASCHA NEMTSOV
Totalitäre Herrschaftssysteme haben die Musikgeschichte der letzten 100 Jahre wesentlich mitgeprägt: Das Musikleben konnte sich dem Anspruch der totalitären Diktaturen, alle Lebens- und Kulturbereiche zu kontrollieren und im Sinne der jeweiligen Ideologie zu gestalten, nicht entziehen. Zahlreiche herausragende Musiker, Komponisten wie Interpreten, wurden Opfer dieser Regime. Auch die Rezeptionsgeschichte vieler Musikwerke und sogar ganzer stilistischer Richtungen wurde direkt oder indirekt – zum Teil bis in die heutige Zeit hinein– von den totalitären Ideologien beeinflusst. In diesem Zusammenhang werden die Schicksale des deutsch-jüdischen Komponisten Hans Heller (1898-1969) und desrussisch-ukrainischen Komponisten Vsevolod Zaderatsky (1891-1953) thematisiert, die bis vor kurzem vollständig vergessen waren. Schließlich werden die Auswirkungen des technologischen Totalitarismus unserer Zeit auf das Musikleben hinterfragt.
Hans Heller (1898-1969):
Little Suite (1951)
I. Prélude
II. Meditation
III. Scherzino
IV. Elegie
V. Like the song of a bird
VI. Molto vivace
Vsevolod Zaderatsky (1891-1953)
aus dem Zyklus „24 Präludien und Fugen“ (komponiert im Gulag, 1938-1939)
Der Pianist und Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov wurde 1963 im sibirischen Magadan geboren. Er studierte am Staatlichen Konservatorium in St. Petersburg und lebt seit 1992 in Deutschland. Er promovierte 2004 und habilitierte sich 2007. 2013 wurde er als Professor für Geschichte der jüdischen Musik an die Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar berufen. Darüber hinaus ist er Akademischer Direktor der Kantorenausbildung des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, wo er ebenfalls lehrt. Nemtsov ist Herausgeber der Schriftenreihe „Jüdische Musik. Studien und Quellen zur jüdischen Musikkultur“ im Harrassowitz Verlag Wiesbaden. Seine wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf jüdische Musik und jüdische Komponisten im 19. und 20. Jahrhundert sowie Themen wie „Nationalismus und Musik“, „Religion und Musik“ oder „Totalitarismus und Musik“.
Als Pianist nahm er mehr als 40 CDs auf, die mehrfach international ausgezeichnet wurden. Die CD mit Sonaten für Violine und Klavier von Shostakovich und Weinberg mit dem Geiger Kolja Blacher erhielt 2007 den Preis der deutschen Schallplattenkritik. 2018 bekam Nemtsov den neu gegründeten Opus Klassik Preisfür seine Anthologie aus 5 CDs mit Klavierwerken des im Stalinismus verfolgten Komponisten Vsevolod Zaderatsky.